9. 10. 2009

Google Wave - hat noch einen weiten Weg vor sich…

Ich habe vor einigen Tagen meinen Google Wave Zugriff erhalten. Meine ersten Eindrücke sind zwiespäötig, einerseits sehe ich grosses Potential, andererseits hat das Wavekonzept einige Probleme.

Kommunikation vs beständige Inhalte

Die Vermischung von Funktionalität von Wiki, Email & Chat ist etwas problematisch, einerseits hat man in einer Wave oft wichtige Inhalte welche bestehen bleiben sollten und andererseits Konversation / Kommunikation rund um diese Inhalte. Oft ist also der Inhalt oben und der Austausch über diesen Inhalt untendran, das führt schnell zu einem hin und her, natürlich kann man Diskussion auch inline direkt im Inhalt drin führen, aber das zersplittert die Inhalte völlig. Das führt zum Beispiel dazu, dass die Diskussion rund um die Wave-Etiqutte in einer seperaten Wave geführt wird, also ist in die eine Wave eine Art Wiki und die andere ein Diskussionsraum. Diese Lösung wirkt unbefriedigend, man muss wie zwei Räume schaffen für etwas, was in einem Raum Platz haben sollte.

In einer Wave die Übersicht behalten ist aufwändig…

Viele Unterhaltung in Wave waren für mich ähnlich wie ein Chat: Kurze Nachrichten, die aufeinander Bezug nehmen, das bedeutet, dass die Waves sehr schnell sehr lang werden. Verfolge ich später also eine Diskussion, muss ich mich durch den ganzen Chat kämpfen, und da steckt sehr viel Noise drin und wenig Signal, das heisst eine aktive Wave nachzuvollziehen kann sehr aufwändig werden.
Neue Beiträge sind jeweils grün markiert, mit der Leertaste kann man die direkt anspringen, ohne Leertaste fühlt man sich ziemlich verloren, da die neuen Nachrichten irgendwo liegen können. Die Playback Funktion ist ja nett, aber sie braucht zuviel Zeit. In den Beispielwaves von Google sind im Nachhinein oft Kommentare gelöscht worden, ich denke aber nicht, dass die viele dazu motiviert sind, ihre eigenen Nachrichten zu löschen um das Gesamte übersichtlicher zu gestalten.

Kontrolle über die Inhalte

In einer gewöhnlichen Wave ist nichts geschützt: Ich kann jede Nachricht abändern, egal von wem, egal in welcher Wave. Es wird natürlich angezeigt, dass ich etwas verändert habe, aber ich kann meine eigenen Beiträge nicht schützen. Dass überhaupt nicht zwischen wikiartigen Inhalten und Konversation unterschieden wird, zeigt sich hier als problematisch.

Hilfe, ich habe eine universal Inbox

Das sehr flexible Protokoll, das hinter Wave steht erlaubt endlich eine universelle Inbox zu schaffen: Twitter, RSS-Feeds, Email, Chat, eigene Blogposts alles kann in Google Wave integriert werden. Das ist schön, aber auch ein Problem: Zwischen wichtigen persönlichen Unterhaltungen und einer öffentlichen Wave, die ich mir mal spontan angesehen habe, wird kein Unterschied gemacht. Es ist aber für jemanden sehr wichtig, zu unterscheiden, ob eine Wave unwichtige Blogposts oder wichtige Informationen eines Kunden enthält. Natürlich kann man Filter anlegen, Suchen abspeichern, aber das Interface an sich unterstützt diese Unterscheidungen nicht.
Die univeral Inbox mag auf den ersten Blick attraktiv erschienen, aber mit dem Wavekonzept verliert man den Kontext der Informationsquellen.

Die grosse Chance: Integration von Services in Wave

Den grössten Wert in Google Wave sehe ich in der Erweiterbarkeit durch Extensions und Bots. Extensions sind Objekte innerhalb einer Wave. Z. B. könnte man Doodle innerhalb einer Wave einbinden, oder eine kleine Umfrage oder eine editierbare Tabelle, die Möglichkeiten hier sind endlos und spannend.
Bots sind virtuelle Teilnehmer an einer Wave, die wie normale Waveteilnehmer neue Beiträge erstellen können oder bestehende ändern können. Z. B. gibt es Tweety einen Twitterbot, der für mich Tweets in eine Wave reinholt (funktioniert im Moment noch sehr eingeschränkt, ist noch nicht brauchbar). Man kann z. B. auch einen Blogbot haben, der Blogbeiträge auf das eigene Blog publiziert und auch live abändert (realtime). Das Konzept der Bots ist aber ein sehr eigenartiges, man fügt sie wie Personen hinzu, aber sie agieren nicht wirklich wie Personen. Einige Funktionalität der Waves wird zur Zeit von Bots bewerkstelligt: Will man seine Wave öffentlich machen, muss man einen Bot hinzufügen, will man leere Nachrichten automatisch löschen, gibt’s einen Bot dafür. Das ist sehr unelegant und wohl für viele User ein schwierig zu verstehendes Konzept.

Wenn wir aber dann überall sagen können: “There’s a bot for that!” dann könnte Google Wave enorm wertvoll werden.

Fazit

Ich bin gespannt, wie sich Google Wave weiterentwickelt, die Herausforderung ein gutes Interface für Waves zu kreiieren ist gross. Insgesamt fühlt sich Google Wave für mich noch ziemlich “noisy” an, die Vermischung von Chat, Email und Wiki und das Konzept der Bots kann Verwirrung stiften. Es gibt also noch viel zu tun für Google und die Developers Community…
Am Ende bin ich einfach nicht sicher, ob Google Wave nicht einfach zu viel sein will und am Ende die einzelnen Bedürfnisse nicht gut abdecken kann.

Andererseits ist ein Konzept von sozialen Räumen (Waves) mit diesem Integrationspotential und dieser Flexiblität vielversprechend. Ich denke nicht selten: Wenn wir das mit Google Wave machen könnten, wäre das viel einfacher… Und auch einfach eine universelle Inbox zu haben, wäre wertvoll. Aber damit Google Wave zu einer guten handhabbaren Lösung wird, muss doch noch einiges geschehen.

Update: Nach dem Lesen dieses Artikels auf lifehacker.com glaube ich je länger je mehr, das Google Wave sehr lange brauchen wird, fall es sich überhaupt durchsetzt.